Australisch-israelisches Ex-Ehepaar im Unterhaltsstreit
Der Australier Noam Huppert zog 2012 nach Israel, wo seine Exfrau mit den gemeinsamen Kindern lebte. Er wollte den Kindern nach der binationalen Scheidung nahe sein. Die Frau nutzte die Chance und verklagte ihn vor einem israelischen Familiengericht auf Unterhalt. Huppert wurde verurteilt, für jedes Kind bis zum 18. Lebensjahr etwa 1.427 EUR Unterhalt im Monat zu zahlen. Zusammengerechnet kommen gut 500.000 EUR zusammen.
Um Huppert zur Zahlung anzuhalten, bestimmte das Gericht darüber hinaus, dass er Israel nicht verlassen dürfe, bis die Unterhaltszahlungen vollständig geleistet wurden. Das Gericht setzte die Sperre bis zum 31. Dezember des Jahres 9999 fest. In der Konsequenz fühlt sich Huppert eingesperrt, weil er das Land praktisch 8.000 Jahre lang nicht verlassen darf. Auch Urlaub oder Arbeit begründen keine Ausnahmen. Huppert hat sein Schicksal öffentlich gemacht, weil er davon ausgeht, dass noch viel mehr Männer von solchen Ausreiseverboten betroffen sein könnten.
Unterhaltshöhe und Ausreiseverbot aus deutscher Rechtsperspektive
Die näheren Umstände des Urteils sind nicht bekannt. Jedenfalls ist es so, dass sich das Urteil mit den hierzulande geltenden Maßstäben schlecht in Einklang bringen lässt. Dafür gibt es mehrere Ansatzpunkte.
Berechnung der Unterhaltshöhe in Israel und Deutschland
Die Höhe des Unterhalts erscheint übertrieben. Selbst wenn Huppert als Chemiker gut Geld verdient, dürfte es schwierig sein, für mehrere Kinder derartig viel Geld zu leisten, zumal die eventuell bestehende finanzielle Verantwortung der Exfrau als Mutter anscheinend nicht gewichtet wurde.
Wer in Deutschland unterhaltspflichtig ist und Kindesunterhalt leisten muss, zahlt den Kindesunterhalt nach Maßgabe der Düsseldorfer Tabelle. In der Düsseldorfer Tabelle ist in Abhängigkeit vom Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils und dem Alter des Kindes der Kindesunterhalt festgesetzt. Legt man die Düsseldorfer Tabelle zugrunde, müsste Noam Huppert einiges mehr als 11.000 EUR im Monat verdienen. Dabei sind die benannten Einkommenssätze als bereinigte Nettoeinkommen zu verstehen, die sich nach Abzug von
- Steuern,
- Sozialversicherungsbeiträgen
- und Verbindlichkeiten
aus dem Bruttoeinkommen berechnen. Dass eigentliche Bruttoeinkommen liegt also um einiges höher als das Nettoeinkommen.
Rückwirkender Unterhalt in Israel und Deutschland
Da Huppert den Unterhalt rückwirkend leisten muss, ist eine astronomisch hohe Summe zustande gekommen. Wie er diesen Betrag jemals im Leben abzahlen kann, kann diesseits nicht beurteilt werden, dürfte aber ein echtes Hindernis darstellen. Möglicherweise könnte er in seinem Heimatland Australien besseres Geld verdienen und hätte bessere Chancen, die Unterhaltszahlungen zu leisten.
Ein ganz wichtiger Rechtsgrundsatz im deutschen Unterhaltsrecht besteht darin, dass Unterhalt rückwirkend für die Vergangenheit nur gezahlt werden muss, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil wirksam in Verzug gesetzt wurde. Die Inverzugsetzung kann dadurch erfolgen, dass der Elternteil zur Zahlung von Kindesunterhalt aufgefordert wird. Unterbleibt diese Inverzugsetzung, braucht der Elternteil rückwirkend keinen Unterhalt für die Vergangenheit zu leisten.
So soll vermieden werden, dass ein unterhaltspflichtiger Elternteil, der bislang nicht auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen wurde, nicht mit extrem hohen Unterhaltszahlungen nachträglich belastet wird. Nur derjenige, der mit seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind ausdrücklich konfrontiert wird, muss sich darauf einrichten, dass er rückwirkend Unterhalt für die Vergangenheit leisten muss. Im Fall von Noam Huppert könnte es angesichts der errechneten Gesamtsumme von 500.000 EUR so sein, dass die Unterhaltszahlungen auch für die Vergangenheit festgesetzt wurden.
Zwangsvollstreckung in Israel und Deutschland
Ist der Unterhalt rechtsverbindlich festgestellt (z.B. per Gerichtsurteil, Anerkennung in einer Jugendamtsurkunde), kann der betreuende Elternteil als gesetzlicher Vertreter des Kindes den Unterhalt in Deutschland zwangsweise realisieren und die Zwangsvollstreckung betreiben. Zwangsvollstreckung bedeutet, dass über das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht das Girokonto bei der Bank oder das Gehalt des unterhaltspflichtigen Elternteils beim Arbeitgeber gepfändet wird oder ein Gerichtsvollzieher beauftragt und beim Elternteil vorstellig wird. Ein Ausreiseverbot aus Deutschland kennt die deutsche Zivilprozessordnung jedoch nicht. Ein Ausreiseverbot dürfte auch mit der Schwierigkeit verbunden sein, eine Ausreise aus Deutschland zu kontrollieren.
Ein Ausreiseverbot verspricht möglicherweise mehr, als man sich davon erhofft. Im Fall von Noam Huppert könnte es durchaus Wirkung haben, als er Australier und in Israel nicht beheimatet ist. Sollte Huppert nicht ausreichend verdienen, nutzt auch ein Ausreiseverbot nicht viel. In diesem Fall kommt ein Ausreiseverbot einer Art Freiheitsstrafe gleich, die eher kontraproduktive Wirkung haben könnte.
Expertentipp: Geltendmachung und Vollstreckung von Unterhalt im Ausland
Lebt die unterhaltspflichtige Person im Ausland, ist es schwierig, den Kindesunterhalt für ein in Deutschland lebendes Kind geltend zu machen. Um diesen Schwierigkeiten gerecht zu werden, haben sich 130 Staaten in internationalen Übereinkommen verständigt, sich gegenseitig in Unterhaltssachen zu unterstützen. In diesen Ländern stehen Zentrale Behörden als Ansprechpartner zur Verfügung. Zentrale Behörde in Deutschland ist das Bundesamt für Justiz.
Um Unterhaltsansprüche im Ausland geltend zu machen, sind die für das jeweilige internationale Übereinkommen maßgeblichen Formblätter zu verwenden und entsprechende Unterlagen beizufügen. Adressat für einen Antrag ist das örtlich zuständige Amtsgericht, das den Antrag nach Prüfung auf Vollständigkeit an das Bundesamt für Justiz weiterleitet. Dieses ist auch für die Vollstreckung des Unterhalts zuständig. Dazu nimmt es mit der jeweiligen Zentralen Behörde des ausländischen Staates Kontakt auf. Ein Ausreiseverbot braucht es insoweit also nicht.
Alles in allem
Unterhaltszahlungen für ein gemeinsames Kind sind rechtliche, aber auch moralische Pflicht eines jeden Elternteils. Die Frage, wie man zahlungsunwillige Elternteile zur Zahlung von Kindesunterhalt motiviert, ist eine Frage, die einer Abwägung bedarf, die eine Gratwanderung zwischen den Interessen des Kindes, den finanziellen Möglichkeiten des Elternteils und den Freiheitsrechten des Elternteils beinhaltet.